Seit 1813 elternlos, war Mädler gezwungen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern, Privatunterricht zu erteilen und konnte erst ab 1818, und auch das nur nebenbei, an der Universität Mathematik und Astronomie studieren. Er führte mit dem Berliner Bankier Wilhelm Beer, der 1829 nahe seiner Villa eine Privatsternwarte errichten ließ, Beobachtungen des Mondes und des Mars durch, von dem sie die ersten genauen Karten anfertigten. Von 1830-36 fertigte er in 600 Nächten Zeichnungen der Mondoberfläche an und wurde mit dieser Spitzenleistung weltberühmt. Seine Mondkarten wurden in der Folge zum Standardwerk. Er erhielt den Doktorgrad und wurde 1837 zum Professor der Astronomie ernannt. 1840 wurde er, auf Fürsprache von C.F. Gauß, als Nachfolger von Georg W. Struve, Leiter der Sternwarte in Dorpat (heute Tartu in Estland) und führte dort Beobachtungen an Doppelsternen durch. Mädler war neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit publizistisch tätig und prägte als erster den Namen „Photographie“. 1858 unterbreitete er den Vorschlag für eine Kalenderreform, die jedoch nie realisiert wurde.
1865 ging er in den Ruhestand, wurde in den russischen Adelsstand erhoben und kehrte nach Deutschland zurück. Hier wurde er historisch tätig und widmete sich seinem Werk „Geschichte der Himmelskunde“. Sein Werk: „Der Wunderbau des Weltalls oder populäre Astronomie“ aus 1842 wurde von anderen fortgesetzt.
Johann Heinrich von Mädler und Christian Doppler
Mädler war der Führer der Gegner unter den Astronomen, die Dopplers Schlussfolgerungen, die astronomischen Geschwindigkeiten der Sterne seien groß genug, um sich in der sichtbaren Farbe zu äußern, als irrig annahmen und war zugleich ihr prominentester Vertreter. Er benutzte jede Gelegenheit zur Widerlegung der Dopplerschen Ansichten.
In Nr. 51 des Stuttgarter Morgenblattes von 1843 veröffentlichte Mädler eine Rezension, auf die Doppler zufällig aufmerksam wurde. Diese Besprechung war für ihn so niederschmetternd, dass er daraufhin eine scharfe Erwiderung schrieb, die er ebenfalls im Stuttgarter Morgenblatt veröffentlichen wollte. Doch wird ihm dies angeblich wegen des Umfanges verwehrt, in Wahrheit jedoch – so Doppler – wegen seiner antikritischen Bemerkungen. Seine Erwiderung bringt er 1844 in der belletristischen Zeitschrift „Österreichische Blätter für Literatur und Kunst“ (Nr. 15), aus der wir folgendes erfahren:
Ich kann schwer jene Mischung von Verwunderung und Indignation beschreiben, die mich bei Durchlesung jenes Aufsatzes überkam. – Herr Mädler findet eine Abhandlung, die über Doppelsterne zu handeln verspricht, und dies reicht für ihn schon hin, sich für einen vorzugsweise competenten Richter über den ganzen Inhalt derselben zu halten. Wer aber Bücher und Abhandlungen nach ihren Titeln und die Menschen nach ihren Kleidern beurtheilt, handelt gleich voreilig, denn hinter beiden steckt oft ganz etwas anderes, als man dem ersten Anschein nach vermuthet. Auf eine ganz ähnliche Weise erging es Herrn Mädler mit meiner Abhandlung.
Doppler war zum Ergebnis, gekommen, dass eine Geschwindigkeit von 33 Meilen pro Sekunde auf den Beobachter zu oder von ihm weg erforderlich sei, um eine wahrnehmbare Farbänderung zu erzeugen. Mädler bestreitet, dass Bewegungsgeschwindigkeiten von mehr als 10 geschweige denn 33 Meilen pro Sekunde bei Himmelskörpern überhaupt vorkommen können; letzteres aber sei laut Doppler nötig, um Farbänderungen der Sterne zu erklären. Für ihn bleibt so das Doppler-Prinzip zeitlebens eine widerlegte Hypothese. Doppler entgegnet:
Wenn nun Herr Recensent behauptet, kein Himmelskörper, oder wenigstens doch kein sogenannter Fixstern könne oder dürfe sich mit mehr als 10 Meilen Geschwindigkeit die Sekunde bewegen, so will dies nach Obigem nicht viel oder vielmehr es will nur so viel sagen als: „Ich, Dr. Mädler in Dorpat, halte dafür, dass dies so sei“, und einem solchen extravaganten Vermeinen halte ich ganz einfach die wohlerwogene herrschende Ansicht fast aller übrigen Astronomen entgegen.
Mädlers Stimme war nicht die einzige kritische. Namhafte Astronomen des 19. Jahrhunderts waren so sehr mit der herkömmlichen Forschung beschäftigt, dass sie die neue Forschungsmethode, den Aufstieg der Astrophysik, die durch die Verbindung von Fernrohr, Spektroskop und Photographie entstanden war, noch lange mit Skepsis betrachteten.
Durch die Entdeckung der Spektralanalyse 1860 von Gustav R. Kirchhoff und Robert W. Bunsen angeregt, schrieb Ernst Mach in seiner Einleitung zum Nachdruck seiner Arbeiten über das Doppler-Prinzip 1873, dass er, Mach, 1860, als erster auf die Möglichkeit der Messung von Linienverschiebungen in Sternspektren hingewiesen habe. Der betreffende Abschnitt lautet:
Bei den Bestimmungen der Farbe, welche man zum Zwecke der Rechnung machen wird, kann man sich nicht auf das bloße Auge verlassen, sondern man müsste beiläufig so verfahren: „Das Bild des Sternes wird durch das Prisma in ein Spektrum zerlegt, in welchem man sich nun zweierlei Linien zeigen, die einen rühren von unserer Atmosphäre, die anderen vom Sterne her; die letzteren müssen nun beim Farbenwechsel des Sternes ihren Ort ändern, und aus dieser Änderung wird die Geschwindigkeit des Sternes bestimmt“.
Mädler antwortete auf Mach in seiner Geschichte der Himmelskunde:
…und wenn Dr. Mach in Wien den Versuch gemacht hat, die bereits entscheidend widerlegte Hypothese Dopplers wieder ins Leben zu rufen, ja sogar in ihr ein Mittel erblickt, die Eigenbewegung des Sonnensystems nach Quantität und Richtung zu bestimmen, so muss entgegnet werden: daß alles, was wir über die Fixsternbewegungen ableiten können, nicht die mindeste Hoffnung gewährt, eine solche Erwartung jemals realisiert zu sehen…“.
Noch am 21.2.1861, als Mach experimentell und theoretisch das Doppler-Prinzip bereits bestätigt hatte, sprach Mädler, der 1848 korresp. Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften in Wien geworden war, auf Grund einer Einladung der Akademie, an der Stelle, an der bereits Petzval gegen Doppler seine Stimme erhoben hatte:
Die Doppler-Formeln, die Herr Mach entwickelt, mögen auf anderem Wege praktisch geprüft werden: die Astronomie kann kein Prüfungsobject dafür bieten (Sitzber. d. K. Akademie d. Wiss. Wien, 1861, S. 289)
Die Verbindung des Doppler-Prinzips mit der Spektroskopie des Sternenlichts, mit der Photometrie und der Photographie – worauf Doppler wiederholt hingewiesen hatte – war der Anfang für eine Entwicklung, die im 20. Jahrhundert ein tiefes Eindringen in das Wesen der kosmischen Prozesse brachte und heute noch nicht abgeschlossen ist.
Dr. Peter Maria Schuster, 2017